Nationalismus und Faschismus als „Krisenbewältigung“ – Verrohung der politischen Klasse – Aufstand der „Opfer“ – Hegemonialkonflikte als Bandenkriege
Grundlage
Die „Opfer“ der krisenhaften kapitalistischen Demokratien in Europa und Amerika wehren sich. Sie wählen die üblichen zivilisierten, aber als heuchlerisch empfundenen „Eliten“ ab, die ihnen keine soziale Sicherheit mehr bieten können, sondern maximal nur noch minimale Nothilfe im sozialen Abstieg, und die ihnen kein Angebot zur Überwindung ihrer zunehmenden gesellschaftlichen und politischen Bedeutungslosigkeit unterbreiten können. Wahlen werden im demokratischen Kapitalismus von den tatsächlichen, aber auch von den vermeintlichen „Opfern“ zunehmend als das empfunden, was sie auch zunehmend sind, nämlich Scheinwahlen, die trefflich als Farcen zu bezeichnen sind. Einerseits wegen der geringen bis gar nicht vorhandenen Alternativen der weitgehend übereinstimmenden Parteien, die zur Wahl antreten, und andererseits wegen regelmäßig gebrochener Wahlversprechen nach der Wahl.
Die Reaktion der „Opfer“ besteht seit den 1990er Jahren neben allerlei eruptiven, kurzzeitigen und perspektivisch unklaren politischen Bürgerbewegungen, die sich in wellenartig aufkommenden und jeweils sehr bald verebbenden Demonstrationen äußern, und inzwischen immerhin dauerhaftem Grummeln auf den Social-Media-Kanälen darin, bei den Wahlen neue oder gewendete alte Parteien zu wählen, in denen verrohte „Eliten“ mit faschistoiden oder offen faschistischen Positionen vermeintliche Lösungen der Probleme anbieten, obwohl diese faktisch keinerlei Lösung, sondern nur eine Radikalisierung des sozialen und politischen Abstiegs der „Opfer“ vorsehen, aber lautstark und populistisch die herrschenden zivilisierten „Eliten“ angreifen und damit der Bewusstseinslage der „Opfer“ entsprechen.
Um diese noch oberflächliche Beschreibung der sukzessive massenhaft werdenden Wählerreaktion auf die sich zuspitzende Krise kapitalistischer Demokratien in eine Analyse der polit- und sozio-ökonomischen Verhältnisse zu überführen, müssen erst einmal die ursächlichen (historischen) Zusammenhänge wenigstens skizzenhaft angedeutet werden.
Nach dem Höhepunkt der fordistischen Phase der kapitalistischen Entwicklung in den 1950er bis 1970er Jahren (Boom v.a. der Energie-, Stahl-, Chemie-, Elektro-, Automobil- und Flugzeugindustrie), der auch den lohnabhängigen Massen in den Industriestaaten eine relative Steigerung des Lebensstandards bescherte, kam die Verwertung des Kapitals zum Zwecke der Kapitalvermehrung ins Stocken, weil die Profit- und Wachstumsraten wegen wachsender Technisierung/Rationalisierung v.a. durch die 3. technisch-industrielle Revolution (Informationstechnik, Digitalisierung) sukzessive abnehmen, also konkurrenzgetrieben mehr Maschinen, Roboter, künstliche Intelligenz (KI) etc. und weniger Arbeitskräfte im Kapitalverwertungsprozess genutzt werden (können)1.
Der Prozess der tendenziell sinkenden Weltprofitrate, der durch allerlei innere Widersprüchlichkeiten einen fast ständigen Nebel vor seine Erkennbarkeit legt, wie z.B. durch zwischenzeitliche riesige Profitraten in einigen Wirtschaftsbranchen, durch zwischenzeitlichen Fachkräftemangel, durch aufstrebende neue Produktions- und Dienstleistungsbereiche sowie Geschäftsmodelle einschließlich höherer Löhne in diesen Bereichen, durch kreditgestütztes Wachstum als Wette auf die Zukunft und v.a. vom „Realkapitalismus“ entkoppeltes finanzkapitalistisches Wachstum, das teilweise in den „Realkapitalismus“ fließt und dort Defizitkonjunkturen fördert, ohne die der „Realkapitalismus“ längst wegen der Verwertungskrise zusammengebrochen wäre, hat einschneidende Konsequenzen und befeuert diese ständig:
- Waren und Dienstleitungen werden sukzessive wertloser, weil wegen Technisierung/Rationalisierung weniger Arbeitskraft und Zeit zu ihrer Herstellung oder Bereitstellung nötig ist.
- Wird die einzelne Ware/Dienstleistung wertloser, muss die Menge der produzierten Waren und Dienstleistungen erhöht werden, um die sinkende durchschnittliche Profitrate bzw. Weltprofitrate wenigstens über größere Profitmasse (mehr verkaufte Waren und Dienstleistungen) so ausgleichen zu können, dass das kapitalistische Wirtschaften überhaupt weiterhin möglich ist.
- Die Löhne der in geringerem Maße verwertbaren Lohnarbeitskräfte (jeder Qualität) geraten auf diese Weise unter verschärften Druck, um wenigstens aus der geringeren Menge an Arbeitskräften so viel Profit wie möglich herauszuschlagen. Niedriglöhne, Leiharbeit, Teilzeitarbeit, Verschärfung der Arbeitstakte und der Arbeitsmenge (in gleicher Zeit), um Produktivitätssteigerung nicht nur durch Technikeinsatz zu erzeugen, sowie allerlei drastische Kostensteigerungen für die Lohnabhängigen und Kleingewerbetreibenden durch exorbitante Mieten (besonders in Deutschland), Heizkosten, Mobilitätskosten usw. führen zur Pauperisierung großer Bevölkerungsteile, sodass in den „reichen“, ehemals Industriestaaten, die es wegen Outsourcing und innerunternehmerischer Transnationalisierung (= Aufbau von Produktionsstätten, Auslagerung von Dienstleistungen usw. in Schwellen- und Entwicklungsländer) auf eigenem Boden nur noch tendenziell sind, mindestens 20 (und je nach Staat) bis zu 50 % der Bevölkerung oder mehr in strenger oder relativer Armut leben.
- Die ehemals in fordistischen „goldenen Zeiten“ möglichen sozialstaatlichen Maßnahmen zur Abfederung sozialer Schwierigkeiten, werden von den meist neoliberalen, also unternehmerfreundlichen Staatsführungen wegen der krisenhaften Entwicklungen gekürzt und zum Teil regelrecht verstümmelt, was logischerweise die Armutstendenzen der Lohnabhängigen und Kleingewerbetreibenden massiv verschärft.
- Die über Kredite und finanzkapitalistische Überschüsse generierten künstlichen, weil nicht auf realer Nachfrage beruhenden Konjunkturen, also Wachstumstendenzen, die nicht auf realer Produktion und Kaufkraft basieren, führen regelmäßig zu Finanzblasen, die, wenn sie platzen, neue soziale Schwierigkeiten erzeugen, wie das Zerplatzen der New-Economy-Bubble um die Jahrtausendwende und der Immobilienblase 2007-09 gezeigt haben.
- Die Suche nach und die Ausbeutung von Bodenschätzen für Energie (v.a. Öl und Gas) und für günstige Rohstoffe (für die Bauwirtschaft v.a. Sand, für die Digital-, Aluminium-, Glas- usw. Wirtschaft v.a. Lithium, Kobalt, Nickel, Graphit u.Ä.), aber auch die Erschließung von Wasserquellen wird sukzessive ausgeweitet und verschärft. Die Suche und Erschließung von Rohstoffquellen wird aber zunehmend schwieriger, kostenaufwendiger und v.a. risikoreicher bzgl. Welt-Ökologie, die ohnehin durch Klimawandel, Artensterben usw. möglicherweise irreversibel geschädigt ist.
- Diese Krisenkonstellation, in der sich die Konkurrenz zwischen transnationalen Kapitalunternehmen und die Konkurrenz zwischen Staaten, die „ihre“ Unternehmen im globalen Wettbewerb günstig in Stellung bringen wollen, schrittweise verschärft, treibt Staaten bzw. ihre Regierungen zu aggressiven Handlungen teils gegen andere Staaten (Zölle, Sanktionen, Krieg,) teils gegen die „eigene“ Bevölkerung, um die Staatskosten zu senken (s.o. Sozialstaatsdemontage), damit mehr Mittel für militärische Aufrüstung zur Verfügung stehen.
Diese hier nur angedeutete Weltlage der Konkurrenz um Ressourcen, Profite und deshalb um geopolitische Vormachtstellungen bei tendenziell sinkender durchschnittlicher Profitrate bzw. Weltprofitrate führt nun keineswegs zur Auflehnung der geschädigten Lohnabhängigen und Kleingewerbetreibenden gegen die systemischen Ursachen, sondern zu zwei sich gegenseitig befeuernden Entwicklungen, die mit dem Slogan „Rette sich, wer kann!“ nur unzureichend beschrieben sind, weil diese Rettung ausschließlich durch Kampf gegen andere Menschengruppen, Unternehmen und Staaten, die sich auch retten wollen, bewerkstelligt werden soll. Da diese Perspektive aber gegenseitig ist, treten Staaten und „ihre“ jeweilige Bevölkerung in eine verschärfte organisierte Friedlosigkeit ein, die inzwischen z.B. im Krieg zwischen Russland und der von USA/NATO/EU unterstützten Ukraine in den vergangenen Monaten mehrfach zur Gefahr eines atomaren Schlagabtausches geführt hat.
Faschisierung bürgerlicher Herrschaft
Erhebliche Teile der politischen Klasse in den krisenhaften Staaten verrohen.
Sie entmachten die Judikative, indem sie Rechtsprechung nur noch als Instrument für ihre Interessen und Vorhaben instrumentalisieren und alle ihre Absichten konterkarierenden Entscheidungen von Gerichten umstandslos nicht anerkennen – insbesondere die der internationalen Gerichtsbarkeit der UNO, also des IGH = Internationaler Gerichtshof (Staatenstrafrecht) und des IStGH = Internationaler Strafgerichtshof (Individualstrafrecht). Der letztgenannte, der strafrechtliche Verfolgung verbrecherischer Handlungen von Regierungsmitgliedern und Funktionsträgern der Staaten verfolgen kann und soll, wird von den USA, China und Russland vorsorglich gar nicht erst anerkannt.
Obendrein werden die Parlamente schrittweise entmachtet, indem Wahlen zur Farce gemacht und autokratisch-diktatorische Entscheidungen nicht nur gegen die Judikative, sondern auch gegen die Legislative durchgesetzt werden, und zwar nicht nur in den vom Westen als autokratisch oder diktatorisch kritisierten sogenannten „Schurkenstaaten“sowie speziell und besonders in Russland und China, sondern gerade auch in den westlichen Staaten selbst, die sich dennoch als Hort und Bewahrer der Freiheit und Demokratie feiern.
Die Gewaltenteilung in Regierung, Gesetzgebung und Rechtsprechung, die einst als Ausweis für Demokratie galt, wird schrittweise aufgeweicht und in wachsendem Maße systematisch abgeschafft. Die vom Westen gegeißelten Regierungsweisen etwa Russlands oder Chinas werden längst in rechtspopulistischen oder semi-faschistischen Formen z.B. in Ungarn, Italien, den Niederlanden, der Ukraine und nun auch im sehr speziellen „Trumpismus“ der USA praktiziert und zelebriert. Im Hegemonialstaat USA, in dem sich seit Jefferson die Strategie des Weltimperiums unter Führung des auserwählten und moralisch überlegenen US-amerikanischen Volkes festgesetzt hat,2 geschieht dies inzwischen in beschleunigter und offen ausgetragener Form.
Auch in nahezu allen anderen europäischen Staaten stehen die Semi- und teils inzwischen auch Vollfaschisten in längst stabilen Startlöchern, um sich auch in ihren Staaten in Position für die noch aggressivere Art der Konkurrenz zu bringen, die von den „noch zivilisierten“ Vertretern der politische Klasse, prototypisch von Biden, Macron, Johnson und jetzt Starmer, Scholz und Co. massiv vorbereitet und teils schon systematisch durchgeführt worden ist, denn Begünstigung des großen Kapitals, also des Industrie-, Handels-, Bank-, und Finanzkapitals und Benachteiligung der lohnabhängigen Massen (und Kleingewerbetreibenden) sowie Diskriminierung und Abschreckung der Flüchtlinge, Asylbewerber und Ausländer insgesamt werden von diesen „zivilisierten“, teils korrupten, teils in Finanzskandale verwickelten politischen Eliten bereits praktiziert und unter dem Druck der rechtspopulistischen und semi-faschistischen Parteien sogar forciert. Die Semi- und Vollfaschisten wollen diese Strategie aber dennoch weiter verschärfen und dabei die bereits vorhandene Tendenz der Militarisierung der Staatenkonkurrenz durch massive Aufrüstung und auch Kriegsführung ausweiten sowie die Tendenz zur Einschränkung der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie und damit auch der individuellen Freiheitsrechte fortsetzen und verstärken. Die nicht nur anlässlich des Russland-Ukraine-Krieges, sondern schon länger vorbereiteten aktuellen mit exorbitanten Krediten finanzierten Aufrüstungsprogramme Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, der EU und der USA, die in Europa von den noch zivilisierten „Eliten“ und in den USA von der semi-faschistischen Trump-Gang in Gang gesetzt werden, sind allerdings so gewaltig, dass sich die im Aufwind befindlichen Vollfaschisten, ähnlich wie Trump es auch schon praktiziert, als Friedensparteien ausgeben müssen, um sich von den noch herrschenden oder in den USA gerade abgelösten zivilisierten „Eliten“ abgrenzen und den „Opfern“ eine bessere Zukunft vorgaukeln zu können.
Nationalismus von unten und oben
Dieser hier kurz beschriebene Faschisierungsprozess der Herrschaftsformen unter Führung der imperialen USA wird durch die Reaktion der „Opfer“ in den Gesellschaften dieser Staaten befeuert. Die „Opfer“, die sich gegen soziale und politische Degradierung, Marginalisierung und Totalentmachtung auf allen erdenklichen Ebenen durch die „zivilisierten“ und als heuchlerisch empfundenen Herrschaftseliten wehren, wenden sich nicht etwa gegen die oben angedeuteten systemischen, also politisch-ökonomischen Ursachen dieser Herrschaftsentwicklung, sondern richten ihre Enttäuschung und ihre Angst in zunehmender Zahl auf die „zivilisiert-heuchlerischen“ Herrschaftseliten und wollen diese durch andere rohere und offen imperiale Eliten ersetzen. Die „Opfer“ wählen neue Gangs oder Banden, die den verhassten, Freedom and Democracy heuchelnden Banden den Garaus machen, und wählen damit die noch radikalere und aggressivere Variante bürgerlicher Herrschaft mit zunehmend faschistischen Elementen. Die „Opfer“ halluzinieren eine Nation, die für sie da ist, und handeln dementsprechend im Sinne der alten wie der neuen Eliten.
Gespeist wird also diese personalisierende Gegenwehr, die nur für den Austausch des Herrschaftspersonals streitet, exakt durch die Ideologie des Imperialismus und des dafür als Grundlage notwendigen Nationalismus der Bevölkerungsmassen. MAGA (Make America Great Again) hatte und hat als Losung des Trumpismus für die Sicherung und Ausdehnung imperialer Macht in den USA nur deshalb Erfolg, weil eine riesige Mehrheit der US-Amerikaner Nationalisten sind. Selbst wenn, was mit Sicherheit passieren wird, es den Lohnabhängigen und Kleingewerbetreibenden in den USA unter Trump nicht besser gehen wird, haben sie nun einen Führer, der ihnen als Kompensation nationale und imperiale Größe und Vorherrschaft der US-Nation verspricht, der sie sich zugehörig fühlen. Endlich, so wirkt in ihnen die nationalistische Ideologie, werden sie von einem hemdsärmelig-prollig agierenden und nicht mehr heuchlerischen Führer Trump gehört. Er gilt als einer von ihnen. Dass er Milliardär ist und sich mit Milliardären als Minister und Funktionsträger umgibt, stört die „Opfer“ wenig. Der Reichtum der von ihnen gewählten Geld-Gang ist eher halluzinierte Hoffnung, daran irgendwie beteiligt zu werden, Hauptsache es geht erst einmal gegen die verhasste Bürokratie, die für sie Ausdruck der Biden-Administration ist, und gegen alle Nicht-Amerikaner und von der Norm abweichende Menschen, wie z.B. Trans-Menschen oder Abtreibunsgbefürworter. Dass sie ihr „Opfersein“ damit zementieren und vertiefen, ahnen sie nicht oder wollen sie nicht glauben, weil sie es für eine Lüge der verhassten, gerade abgewählten Elite halten.
Nationalismus in der Bevölkerung und nationalistische Propaganda der alten wie neuen Eliten (verstärkt durch weltanschaulich gleichgeschaltete Medien) befeuern und stärken sich gegenseitig.
Bandenkriege
Nationalismus nach innen ist auch immer Nationalismus nach außen. Nationalismus in Gesellschaften und Staaten, deren Grundprinzipien sozial drastische Ungleichheit erzeugen, benötigt innere und äußere Feinde, deren Bekämpfung den „Opfern“ der sozialen Ungleichheit Kompensation ihrer Probleme durch Stolz auf „ihre“ (sic!) Nation bietet und gleichzeitig die Hoffnung erzeugt, ihre Probleme überwinden zu können, wenn die Ausländer aus ihrem Land verschwunden sind und Kriege gegen Feinde gewonnen werden.
Die aktuelle Kriegslage ist aber inzwischen besonders vertrackt, weil die Putin-Gang im Moskauer Kreml der Washingtoner Biden-Gang als Führer der in der NATO verbündeten Staaten und der ukrainischen Selenskij-Gang nicht klein beigegeben hat, sondern ihrerseits einen Krieg führt, wie er für die USA seit Jahrzehnten (eigentlich seit Jahrhunderten) selbstverständlich ist. Der Angriff auf die Ukraine hat den Hegemonialanspruch der USA und seines europäischen Brückenkopfs herausgefordert. Russland will mit der Kontrolle über die Ukraine oder zumindest mit der Verhinderung des NATO-Beitritts der Ukraine, nachdem sich die NATO durch neue osteuropäische Mitgliedschaften an die Grenzen Russlands vorgearbeitet hat, den Anspruch einer eurasischen Großmacht mit Atomwaffen aufrechterhalten, den es bereits mit der Übernahme der Krim (Zugang zum Schwarzen Meer und damit zum Mittelmeer) dokumentiert hat.
Die USA, die NATO und die Vasallen ähnlichen europäischen Brückenkopfstaaten sowie die EU setzten auf Härte mit zahlreichen wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland und massive Waffenlieferungen an die Ukraine. Beide Kriegsparteien aber haben nach drei Jahren Krieg in der Ukraine (und in geringerem Umfang in Russland wegen Angriffen der Ukraine auf Kursk, aber auch auf Moskau) ihre propagierten Ziele nicht erreicht. Russland hat zwar die Kontrolle über die Ost- Südost-Ukraine, aber nicht über die gesamte Ukraine und auch nicht über die politische Klasse in der Ukraine, die „entnazifiziert“ werden sollte. Die wirtschaftlichen Sanktionen von USA/NATO/EU haben Russland nicht nachhaltig genug getroffen, sondern eher die sanktionierenden europäischen Länder, besonders Deutschland, dem preiswertes russisches Gas fehlt(e), weil die wirtschaftlichen Sanktionen und die Waffenlieferungen nicht zur erhofften Schwächung Russlands geführt haben, sondern die Putin-Gang mit Kriegskapitalismus und Ausweichbewegung auf andere Handelspartner (BRICS, v.a. China und Indien) und mit einer im Vergleich zur Biden-Selenskij-Gang gleichwertigen Ausdauer und Skrupellosigkeit bei der Verfeuerung soldatischen Lebens eher eine Stabilisierung auf passablem Niveau mit doch erheblichen Gebietsgewinnen für Russland erreicht hat.
Da nun aber in den USA eine andere Gang, die die Bezeichnung deutlich mehr verdient hat als die Biden-Gang, nämlich die Trump-Gang, den US-Staat der Biden-Gang entrissen hat, werden die Karten der Hegemonialkonflikte nicht völlig neu, aber doch anders verteilt.
Die Trump-Gang klagt noch stärker als die Biden-Gang einen verstärkten militärischen Beitrag der EU, speziell Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens ein, deutet einen militärischen Teilrückzug der USA aus Europa an, was die Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland 2026 allerdings nicht tangiert, deutet an, dass der US-amerikanische atomare Schutzschirm für Europa nur noch bedingt gilt, versucht direkte Gespräche mit der Putin-Gang für einen Waffenstillstand zu initiieren, hat die Selenskij-Gang auf reale Machtgröße schrumpfen lassen, indem sie mit kurzfristiger Einstellung der Waffenlieferungen und der Satelliteninformationen auf deren Bittstellerposition verwiesen hat, die das Maximale einer Gang sein kann, die nur über ein erheblich zerstörtes Gebiet herrscht. Damit haben die USA klar gezeigt hat, wer der einzig relevante Gesprächspartner für Russland und Putin ist.
Diese dem US-amerikanischen Hegemonieanspruch völlig angemessene Haltung, die keinesfalls eine Hinwendung zu grundsätzlich friedlichen Absichten der USA bedeutet, sondern „nur“ eine Abkehr von der nicht erfolgreichen Strategie, den eurasischen Raum unter maximaler US-Kontrolle zu haben, ehe sich die USA dem eigentlichen Gegner des 21. Jahrhunderts zuwenden kann, nämlich China, hat die europäischen Vasallenstaaten bzw. deren Führungen kalt erwischt, was den Zustand der politischen Klasse in europäischen Staaten klar erkennen lässt. Sie glauben tatsächlich an „Freedom and Democracy“. Sie sind tatsächlich überzeugt, dass sie zu den Guten, ja zu den Besten (etwas hinter den USA) gehören und selbstverständlich noch mehr, dass Putin, Russland und die Russen das Böse schlechthin sind.
Die trumpistische USA hingegen spekuliert noch mehr und offener als die „zivilisierte“ USA darauf, dass die EU vorläufig geschwächt genug ist, noch immer, wenn auch gezielt verunsichert, militärisch auf die USA angewiesen ist und Russland, wenn Putin genügend Zugeständnisse bzgl. eines Waffenstillstands oder gar Friedensabkommens mit der Ukraine gemacht werden, gegenüber Mittel- und Westeuropa stillhalten wird. Letzteres scheint nicht nur deshalb ein realistisches Kalkül der USA zu sein, weil die durch die Trump-Politik verunsicherten Regierungen der EU-Staaten und Großbritanniens massive Aufrüstung gegen Russland betreiben und Abschreckungspotenzial aufbauen könnten, sondern weil Russland mit einem riesigen Staatsgebiet und als rohstoffreiches Land ohnehin wenig Interesse daran haben dürfte, die rohstoffarmen EU-Staaten anzugreifen und sich territorial über die ehemaligen Sowjetrepubliken hinaus auszudehnen. Andererseits wird die Aufrüstung in den EU-Staaten die Bedrohungslage für Russland verschärfen und die besonders in Deutschland und einigen osteuropäischen Staaten von Russophobie getränkte Angst, dass „der Russe“ bereits vor der Tür steht, tatsächlich ein wenig realistischer werden lassen. Denn, sollte es Deutschland, Großbritannien und Frankreich und/oder der EU tatsächlich gelingen eine beeindruckende Militärstreitmacht aufzubauen, die europäisch koordiniert und abgestimmt ist, was aus vielerlei Gründen keineswegs sicher ist, dann ist diese Militärmacht keine eindeutige Verteidigungsmacht, sondern auch fähig zum Angriff, weil die Unterscheidung zwischen Abwehr- und Angriffswaffen vorwiegend obsolet geworden ist. Das könnte in Russland aber gerade dazu führen, dass das in Erwägung gezogen wird, was die Russenangst bereits jetzt fälschlicherweise suggeriert, nämlich einen Angriff Russlands auf östliche EU-Staaten.
Kurz: Die EU, besonders Deutschland und Frankreich sowie das kürzlich aus der EU ausgetretene Großbritannien wollen sich mit massiver und historisch beispielloser Aufrüstung gegen Russland positionieren und nicht mehr allein auf den atomaren Schutzschirm durch die USA verlassen und dabei in Europa schon länger virulente Wunschvorstellungen bzgl. eines nicht nur wirtschaftlich, sondern eben auch militärisch ernstzunehmenden Machtpols in den weltweiten Hegemonialkonflikten etablieren. Das nordatlantische Bündnis (NATO) soll zwar weiterhin Beistandsgarantien leisten, aber Europa soll in jeder Hinsicht kriegstüchtig werden.
In Deutschland, in dem nicht nur viele Politiker, sondern auch viele Bürger nicht verzeihen können, dass die Rote Armee den deutsch-faschistischen Überfall auf Russland im Zweiten Weltkrieg nicht nur zurückgeschlagen, sondern dann in der Folge auch noch deutsches Gebiet mit entsprechenden Vergeltungsmaßnahmen einschließlich der maskulin-militärisch üblichen Vergewaltigungsaktionen okkupiert hat, gilt es unter den genannten Voraussetzungen einschließlich des weit verbreiteten Nationalismus quer durch alle sozialen Schichten der deutschen Gesellschaft, die Militärgewalt der EU bzw. ganz Europas zu stärken, am besten unter Führung Deutschlands. „Der Russe kommt“, „Der Russe steht vor der Tür“ u.Ä. ist in vielen Köpfen verankert und wird auf allen Kanälen der deutschen Medien als quasi naturgesetzliche Wahrheit behauptet, immer häufiger, ganz nebenbei und auch in allen anderen politischen Zusammenhängen und Themen als absolute Gewissheit. Erwähnenswert, weil in Deutschland massenhaft verdrängt, ist dabei, dass „der Russe“ nur in Deutschland war, weil Nazi-Deutschland ihn vorher mit verheerendem Krieg und den maskulin-militärisch üblichen Vergewaltigungen überfallen hatte.
Deutschland im Verbund mit anderen europäischen Staaten muss wieder ein global nicht nur ökonomischer, sondern auch militärischer Faktor in den anstehenden Hegemonialkonflikten werden. Das ist das aktuelle Credo nicht nur der „Opfer“ der Verhältnisse im demokratischen Kapitalismus, sondern auch der sozialen Schichten, die als Gebildete noch relativ privilegiert und deshalb sozial abgesichert sind. Dumm war, so das in diesen „aufgeklärten“ sozialen Schichten vorherrschende Narrativ, sich von günstiger russischer Gaslieferung einerseits und US-amerikanisch atomarem Schutzschirm andererseits abhängig zu machen. Deutschland hätte spätestens nach dem Anschluss der real-sozialistischen DDR an die kapitalistische BRD, was von ihnen als deutsche Wiedervereinigung gefeiert wurde, auch als militärischer Global-Player etablieren müssen, am besten auch als Atommacht.
Sämtliche Überlegungen, Expertisen und politischen Handlungen der SPD der 1960er und 1970er Jahre hinsichtlich Entspannungspolitik zwischen Ost und West, der Friedensbewegung der 1970er/1980er Jahre und wieder aufflackernd nach 2000, der frühen Phase der Grünen (1980er Jahre), der linken Sozialdemokratie über die Jahrzehnte hinweg (vgl. dazu v.a. JuSos), der gesinnungsliberalen und friedenspolitisch aktiven FDP in den 1970er und 1980er Jahren und der zahllosen Bürgerinitiativen der 1980er und 1990er Jahre sowie der wenn auch perspektivisch unklaren zahlreichen Bewegungen der 1990er Jahre bis zum heutigen Tag, ohne die linken Bewegungen mit weniger Einfluss überhaupt zu nennen, werden schrittweise nach der von CDU-Kanzler Helmut Kohl 1982 ausgerufenen „geistig-moralischen Wende“ der vergangenen ca. 60 Jahre in Deutschland über Bord geworfen. Nun gerinnt nach Corona-Pandemie und Russland-Ukraine-Krieg diese Wende zur nationalistisch-aggressiven Mehrheitsmeinung und bringt Figuren wie Merz, Kiesewetter (CDU), Strack-Zimmermann (FDP), Hofreiter, Baerbock (Grüne) oder Klingbeil (SPD) hervor. Selbst Die Linke ist in diesem Politiksegment keine klare Friedenspartei. Deutschland wird in kriegerische Stellung gebracht.
Ich möchte keinesfalls mein Leben für Deutschland geben, ist zwar die Umschreibung einer Haltung, die es auch noch gibt, aber wenn „der Russe“ kommt, was eine Mehrheit inzwischen nach dem Trommelfeuer aus Regierung und Medien glaubt, dann braucht es eine starke Bundeswehr und die Augen werden nicht geradeaus gerichtet, sondern geschlossen bzgl. dessen, was diese starke Bundeswehr sonst noch so anrichten könnte.
Verhandlungen? Diplomatie? Ernsthafte Angebote an die bösen Russen?
Nein! Stärke und pozenzielle Gewalt sind angesagt.
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1 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76156/umfrage/anzahl-der-arbeitslosen-weltweit/#:~:text=Im%20Jahr%202023%20hat%20die,weltweit%20von%201991%20bis%202025. / https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38043/umfrage/prognose-zur-entwicklung-des-bip-in-ausgewaehlten-laendern/
2 Vgl. Domenico Losurdo, Wenn die Linke fehlt …. . Gesellschaft des Spektakels, Krise, Krieg. Köln, 2017. Darin besonders das Kapitel II: Die kapitalistisch-imperialistische Welt als „freie Welt“?
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